Ein Statement des Vorstandsvorsitzenden ist Anlass für eine Reihe von Fragen zur geplanten Harzring-Freileitung Nach wie vor steht der Plan der Avacon, die 110-KV-Leitung bei Dingelstedt als Freileitung zu bauen. Die Bürgerinitiative fordert ein Erdkabel und wendet sich nun an den Vorstand der Avacon.
Aderstedt/Dingelstedt/Badersleben | „Wir geben nicht nach“, betont Maik Berger, Ortsbürgermeister von Aderstedt (SPD) und Sprecher der Bürgerinitiative „Freie Sicht auf Huy und Bruch.“ Diese hat sich formiert, um sich gegen die Pläne der Avacon, die 110-KV-Trasse von Wasserleben nach Dingelstedt als Freileitung bauen zu wollen, zu wehren (die Volksstimme berichtete). Bürger, Landwirte, Gewerbetreibende und Politiker fordern, diese Leitung als Erdkabel zu verlegen. Bisher jedoch sind alle Gespräche dazu im Sande verlaufen.
Daher wendet sich die Bürgerinitiative nun direkt an den Vorstand der Avacon und lädt den Vorsitzenden und Finanzvorstand der Avacon AG, Marten Bunnemann, in die Region ein. Immerhin hatte Bunnemann in einem Interview anlässlich des 15. Mitteldeutschen Energiegesprächs im Juni 2018 geäußert: „Der Kunde steht im Mittelpunkt … und darauf richten wir unser Unternehmen konsequent aus. Wir wollen Partner der Kommunen sein…und als Energieinfrastruktur-Unternehmen sind wir hochgradig interessiert… mit der öffentlichen Hand partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. „Wir wollen Marten Bunnemann nun mit unserer sensiblen Region und mit den fatalen Folgen einer Freileitung vertraut machen und ihm die Gelegenheit geben, seinen großen Worten auch Taten folgen zu lassen“, sagt Maik Berger.
Hauptgrund: Energiewende
Nach Einschätzung von Vorstandschef Bunnemann ist die Energiewende insgesamt auf einem guten Weg. „In den ländlichen Gebieten Sachsen-Anhalts stehen an vielen Tagen bereits mehr als 100 Prozent erneuerbarer Energie zur Verfügung.“ Dazu bemerkt die Huy-Bürgerinitiative: „Und genau deshalb, und nicht vordringlich für die bessere Versorgung der Gemeinde Huy, braucht die Avacon die neue Stromtrasse wirklich.“ Und genau deshalb sei es ihr wichtig, schnell und günstig den Harzring zu schließen. Man erwarte nämlich auch aufgrund der Klimadiskussion einen weiteren Ausbau. „Dem stellen wir uns nicht in den Weg“, betont Maik Berger. „Wir wünschen uns ebenso einen Lückenschluss des Harzringes, aber eben nicht gegen den Willen und auf dem Rücken unserer Bürger. Der Lückenschluss muss mit einer Erdverkabelung erfolgen.“
Im Zusammenhang mit der Äußerung des Vorstandsvorsitzenden drängen sich Fragen an die Avacon auf: „Wenn der Kunde wirklich im Mittelpunkt steht und die Kommunen echte Partner sind, warum wird an dem Projekt Freileitung so massiv festgehalten? Warum werden alle Einwände, Resolutionen, Befragungen, Beschlüsse und Petitionen allesamt negiert? Warum zählt letztendlich nur der Profit der Aktionäre?“ Und weiter fragt die Bürgerinitiative, ob die ausführende Hand der Avacon wirklich nichts vom Verständnis ihres Vorstandsvorsitzenden Marten Bunnemann zur Ernergiewende weiß.
Widerspruch ist nötig
Bereits vor Weihnachten hat die Avacon die Eigentümer der betroffenen Ackerflächen angeschrieben und über die geplanten Maststandorte und die weitere Vorgehensweise informiert. „Wir als Bürgerinitiative haben dazu einen Musterbrief als Antwort entworfen.“ Dieser ist unter www.keine-Freileitung-im-Huy.de abrufbar. Es sei wichtig, dass die Eigentümer dem weiteren Vorgehen der Avacon aktiv widersprechen, betont Maik Berger. Ein Stillschweigen zu dem Anschreiben der Avacon könnte als Einverständnis des Eigentümers zum Bau von Strommasten gewertet werden.
„Auch, wenn nicht jede Woche etwas Neues über unsere Bürgerinitiative in der Zeitung steht, heißt das nicht, dass wir untätig sind“, erklärt Berger. Nach vielen Seiten seien Kontakte geknüpft worden. Weil die Avacon ihre Entscheidung gegen das Erdkabel mit einem zu hohen Kostenfaktor begründet, den die Bürgerinitiative anzweifelt, ist eine Information aus Österreich besonders interessant. So habe im Dezember 2018 im Auftrag der dortigen Landesholding ein Gutachten zum Kostenvergleich Erdkabel/Freileitung für 110-KV-Leitungen im ländlichen Raum einen Mehrkostenfaktor von 2,0 ermittelt. „Unsere Bodenverhältnisse mit Ackerflächen, sind sicherlich vergleichbar mit dem untersuchten Boden in Österreich.“ Diese Erkenntnis nähre die Zweifel der Bürger an der Berechnung der Avacon für den Harzring, die mit einem Faktor von 3,1 angeben wird. Hintergrund: Laut Energiewirtschaftgesetz muss eine neue Stromtrasse als Erdkabel verlegt werden, wenn die Kosten dafür die einer vergleichbaren Freileitung das 2,75-fache nicht übersteigen.
„Die Entscheidung in unserer Region für oder gegen eine Erdverkabelung wird in Sachsen-Anhalt zukunftsweisend sein“, ist Berger überzeugt und fragt, ob der Bürger bei der Energiewende mitgenommen wird, oder ob „auf Teufel komm raus“ Profitgier über dem Bürgerwillen stehe. „Letztendlich wird das Landesverwaltungsamt in Halle hierzu eine Entscheidung treffen müssen.“
Der jetzige Zeitplan sieht vor, dass der Baustart der neuen Stromtrasse frühestens 2021 erfolgen wird.
Volksstimme vom 14.01.2020